Christian Heck, Benita Martis, Anton Linus Jehle, Lisa Reutelsterz, Naoto Hieda, Bidisha Das, Kjell Wistoff, cnrd, Pedro, Leon-Etienne Kühr and Ting-Chun Liu
Kollektive Performance Lecture mit Studierenden, Alumni und Mitarbeiter:innen des Labors [ ] ground zero der Experimentellen Informatik an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM)
deutsch:
Die Bedeutung der Begriffe "ist die Art, wie ihr Gebrauch in das Leben eingreift", so Ludwig Wittgenstein in seiner philosophischen Grammatik. Im Miteinander. Dort wo der Gemeinsinn herrscht. Wo es Sinn macht: Sense-making.
Viele der Begriffe, die es in den derzeit geführten Debatten um Cyberkrieg adäquat einzuordnen gilt, kommen aus einer fast schon in Vergessenheit geratenen Metadisziplin: dem Cyber-, sprich der Kybernetik. Die Bedeutung kybernetischer Modellifizierungen von Welt, griffen in den letzten knapp einhundert Jahren massiv in unser Leben ein, und zwar indem Maße in dem wir die aus ihnen hervorgegangenen technischen Systeme in unserem Lebensalltag gebrauchen: das "Lernen", "Intelligenz", "Autonomie", "Kontrolle". Im Krieg und im Zivilen. Begriffe, die an die Grenzen rationalen Denkvermögens stoßen, wenn Logiken des Krieges in diese Systeme als sozio-technische Handlungsräume eingeschrieben werden und aus diesen heraus zu mehr als nur Träger von Zeichen mutieren, in denen Prozesse und Funktionen ablaufen. Sie werden aktive Erzeuger. Erzeuger des „Un-Sinns“, der "psychotischen Kriegswirklichkeit", die als Sinneinheit, laut der Schriftstellerin Marlene Streeruwitz nur Entfremdung bedeuten kann.
Mögliche ästhetische Ansätze zur Friedensarbeit im Cyberraum fokussieren dementgegen auf die Rückeroberung der Deutungshoheit als Zivilgesellschaft über die Interpretation der Zeichen. Auf den Erhalt der Performativa im Umgang mit gesellschaftlichen und kulturellen Konsequenzen des Cyberkriegs. Denn "Verstehen" setzt diese voraus. Die Performativa. Um in Hannah Arendts Worten zu sprechen: die Existenz der Pluralität unter Menschen. Aber auch Verständnis. Denn das "Ergebnis des Verstehens ist Sinn", so Arendt weiter. Es kann der Zweck des Verstehens nur die Erzeugung von Sinn sein: Gemeinsinn.
So setzt der kollektive Vortrag "Aesthetic approaches to cyber peace work“ von den Studierenden, Alumni und Mitarbeiter*innen des Labors [ ] ground zero der Experimentellen Informatik an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) auf die Performativa. Auf den Erhalt einer adäquaten Verhältnismäßigkeit zwischen Denken, Erfahren, Sprechen und unserem gemeinschaftlichen Handeln im Hier und Jetzt. Im Versuch, eine eigene Weise des Denkens zu fördern. Ein mögliches Denken in 90 Minuten. Gemeinsam hin zu ästhetischen Erkenntnissen zu gelangen. Im Erzählen. Während sich mindestens zwei Erfahrungen begegnen werden. Die der/s Erzähler:in und die der/s Zuhörer:in. Ästhetische Erfahrungen, die uns hin zu nicht-messbaren, zu nicht-quantifizierbaren Erkenntnissen führen können. Als eine Art Gegenüberstellung zur Meso-Welt.
Einfach weil Leben sich nicht messen lässt.
english:
The meaning of words "is the way in which their use intervenes in life," according to Ludwig Wittgenstein in his Philosophical Grammar. In community. Where common sense prevails. Where it makes sense: sense-making.
Many of the terms that need to be adequately framed in the current debates about cyberwar come from a metadiscipline that has almost fallen into oblivion: cybernetics. The importance of cybernetic modeling of the world has massively intervened in our lives in the last hundred years, to the same extent that we use the technical systems that have emerged from it in our everyday lives: "learning", "intelligence", "autonomy", "control". In war and in civil life. Concepts that reach the limits of rational thinking when logics of war are embedded in these systems as socio-technical spaces of action and mutate out of them into more than just carriers of signs in which processes and functions take place. They become active producers. Producers of the "un-sense", of the "psychotic reality of war", which as a sense-unit, according to the writer Marlene Streeruwitz, can only mean alienation.
Possible aesthetic approaches to peace work in cyberspace, on the other hand, focus on the reconquest of interpretive sovereignty as a civil society over the interpretation of signs. On the preservation of performativa in dealing with social and cultural consequences of cyberwar. Because "understanding" presupposes them. The Performativa. To speak in Hannah Arendt's words: the existence of plurality among people. But also "understanding". Because the "result of understanding is sense," Arendt continues. It can only be the purpose of understanding to produce sense: Common Sense.
Thus, the collective lecture "Aesthetic approaches to cyber peace work" by the students, alumni and staff of the laboratory [ ] ground zero of Experimental Informatics at the Academy of Media Arts Cologne (KHM) focuses on performativa.
On the preservation of an adequate proportionality between thinking, experiencing, speaking and our communal acting in the here and now. In an attempt to promote an own way of thinking. A possible thinking in 90 minutes. Moving together towards aesthetic knowledge. In storytelling. While at least two experiences will meet. That of the storyteller and that of the audience. Aesthetic experiences that can lead us to non-measurable, non-quantifiable knowledge. As a kind of juxtaposition to the meso-world.
Simply because life cannot be measured.
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about [ ] ground zero @ khm:
[ ] ground zero ist die Forschungsplattform der Experimentellen Informatik an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM).
Der Term "ground zero", der seinen Ursprung in der militärischen Sprache hat, verortet ein bekanntes Problem der Informatik, das "Symbol grounding problem" innerhalb der KHM in eine Zone, in der sich (in Anlehung an die Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO) ein alter Zustand in einen unbekannten neuen verwandelt.
Ausgangspunkt der Forschung in [ ] ground zero ist die Überzeugung, dass die Menschheit zwar zunehmend von Technologie und ihrem reibungslosen Funktionieren abhängig ist, sie aber gleichzeitig „geistig nicht unter Kontrolle“ hat. Ein anderes Verständnis, neue experimentell-ästhetische Ansätze und nicht zuletzt neue Sprachspiele sind notwendig, u.a. um den unzureichenden Dualismus von Technikeuphorie und Kulturpessimismus aufzulösen, der immer noch den Diskurs dominiert.