Don't scroll - Entscheidungsunterstützung im biomedizinischen Bereich jenseits von Excel

Sebastian Schaaf

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Seit jeher obliegt es Ärzten, die für ihre Patienten geeignete Behandlung aus einer Reihe von Optionen zu finden. In Zeiten von interdisziplinärer Biomedizin, eHealth und Data Science benötigen Mediziner mehr denn je breit angelegte Unterstützung um gezielt Entscheidungen im Sinne des Patienten zu treffen. Hierfür ist es nicht nur wichtig, von Anfang an gegen den Eindruck einer digitalen Bevormundung zu arbeiten, sondern auch, solche Prozesse transparent zu gestalten. Dazu kann und sollte Open Source Software Schlüssel sein.

In klinischen Szenarios steht der letztendlichen Behandlungsentscheidung eine möglichst detaillierten Diagnose vor. Diese umfasst üblicherweise Gespräche (Anamnese), physische Tests sowie Laboruntersuchungen. Die Gesamtheit dieser Informationen verstehen sich als Eingabeparameter eines komplexen Algorithmus. Zentrale Elemente sind dabei die Leitlinien der Fachgesellschaften sowie der persönliche Erfahrungsschatz des Arztes selbst. Leitlinien stellen die Essenz dessen dar, was anhand von empirisch zusammengetragenen Erkenntnissen als zum aktuellen Stand der Forschung als gesichert angenommen werden kann – im Englischen als „Evidence-based Medicine“ bezeichnet. Zentrale Werkzeuge sind dabei Publikationen nach wissenschaftlichem Standard sowie klinische Studien, die Erkenntnisse mit einer statistischen Signifikanz auszeichnen können. Algorithmisch betrachtet stellen sich Leitlinien eher regelartig, star und generell dar; komplementär dazu agiert der Arzt analog zu unscharfen Verfahren wie neuronalen Netzen eher individuell und weniger explizit.

Allerdings stellt für den Arzt selbst allein das immense Wachstum an verfügbarer medizinischer Fachliteratur heutzutage ein praktisches Problem dar. Gleichzeitig geht der Trend in der modernen Medizin dazu, Patienten individueller zu betrachten: stratifiziert in Subgruppen bis hin zur personalisierten Einzelfallbetrachtung. Während diese Verkleinerung der Kohorten bereits per Definition die statistische Signifikanz im Behandlungskontext schwächt, steigt die Erwartungshaltung an den behandelnden Arzt, eine im Sinne des Patienten optimale und begründbare Entscheidung zu treffen. Hinzu kommen abstrakte Massendaten aus hochmodernen Disziplinen wie der Genomik.

In der Summe benötigt der „Algorithmus“ zur Entscheidungsfindung neben Erfahrungen und Leitlinien Erweiterungen, die medizinisches Fachpersonal in Routineversorgung und auch klinischer Forschung unterstützen. Eine gezielte Integration von öffentlich verfügbarem Wissen und Massendaten geht dabei über die derzeit an Kliniken etablierten, meist proprietären Software-Lösungen weit hinaus. Im Vortrag soll daher ein Überblick zunächst über den Status Quo, die derzeitigen und bevorstehenden Herausforderungen sowie potenzielle Lösungswege gegeben werden. Neben einer massiven Unterschätzung der benötigten Ressourcen zur Etablierung von Lösung stellen der Umgang mit Datenschutz sowie Transparenz und Reproduzierbarkeit häufig ignorierte Problemstellungen dar. Diese treten sowohl in Routine und Forschung auf, vor allem aber an deren Berührungspunkten.

Der Vortrag soll Perspektiven aufzuzeigen, wie gerade im sensiblen Umfeld der Klinik Open Source Türen öffnen und solide Basis wissenschaftlicher Arbeit werden kann. Dabei sollen exemplarische Workflows vorgestellt werden, die Ärzte teilautomatisiert in ihren Entscheidungen ausdrücklich unterstützen. Da Vertrauen in neue Verfahren eng mit Transparenz einhergeht, sollen deren zugrunde liegenden Prinzipien anhand der vorgestellten Verfahren aufgezeigt werden. Abschließend wird ein Ausblick auf eine mögliche moderne, hochintegrative Biomedizin gegeben.

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