Vision Weiße Ware

Von der unreparierbaren Black-Box zur transparenten White-Box

Holger Kienle

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Das Thema Nachhaltigkeit wird bei elektrischen/elektronischen
Produkten auf verschiedenste Weise umgesetzt, vom Smartphone
(Fairphone) zur LED Lampe (relumity). Beim Haushaltsgeräten, auch
weiße Ware genannt, fehlt noch ein Initiative, die diese Geräteklasse
von Grund auf nachhaltig denkt. Dieser Vortrag soll mit einer
konkreten Vision einen Denkanstoß bzw. Reibungspunkt geben, wie ein
Ökosystem um weiße Ware entstehen könnte, mit den Hauptmerkmalen
Transparenz und Reparierbarkeit. Unter Transparenz versteht sich zum
Beispiel, dass alle Entwicklungschritte einsehbar sind, die weiße Ware
ist nicht länger eine Black-Box, wird zur White-Box. Unter
Reparierbarkeit versteht sich zum Beispiel, dass Produkte modular
aufgebaut und umfassend dokumentiert sind. Aufbauend auf diesen
Prinzipien kann eine offene Plattform entstehen, an die sich
verschieden Stakeholder andocken können, wie Reparaturdienstleister
und Ersatzteilehersteller. Der Anspruch ist dabei deń DIY-affinen
Endkunde zu erreichen, ebenso aber auch den technikfernen aber
nachhaltigkeitsorientierten Endkunden.

* Weiße Ware
Haushaltsgeräte, vom Nasenrasierer bis zur Gefriertruhe, -- im
Einzelhandel auch weiße Ware genannt -- werden in riesigen Stückzahlen sowohl von Billiganbietern als auch Markenherstellern produziert.
Dieser Beitrag hat weiße Ware zum Thema, wobei darin vieles auch
allgemeingültiger sein mag. Die besonderen Charakteristika von weißer
Ware rechtfertigen es aber sich damit gezielt auseinander zu
setzen. Nach dem Wissen des Autors gibt es erstaunlich wenige
(Denk-)Ansätze wie den im folgenden Beitrag beschriebenen. Relativ
nahe kommt das Global Village Construction Set (GVCS), wobei dort der
Schwertpunkt deutlich auf dem DIY-Gedanken, also einer Bastel-affine
Community, und schweren Gerätschaften zu liegen scheint.

Weiße Ware ist stark mechatronisch geprägt (im Gegensatz zu
Elektronikprodukten), das heißt ein Gerät besteht typischerweise aus:
- mechanischen Komponenten.
- elektronischen Komponenten, die die mechanischen Komponenten steuern
(Aktor), wobei auch Sensoren Feedback zur Steuerung geben können.
- Software, die sich auf einem Mikrochip bzw. System on a Chip (SoC)
befindet (Firmware).
Dazu kann im Zeitalter des "Internet der Dinge" noch Software (auf
einem Smartphone) kommen, die mit dem mechatronischen Gerät
interagiert.

Obwohl weiße Ware ein Massenprodukt ist, sollte die Komplexität der
Entwicklung nicht unterschätzt werden. Ein einfacher Toaster hat
Elektrik mit Wechselstrom, Elektronik zur Umwandlung in Gleichstrom
und proprietäre Mikrochips. Der kanadische Künstler Todd McLellan
zerlegt und photographiert technische Objekte. Sein "1970's Sunbeam
Toaster" besteht aus 151 Teilen. Ein anders gelagertes (Kunst-)Projekt
von Thomas Thwaites hat sich bemüht einen Toaster von Null auf zu
erschaffen, beginnend mit der Rohstoffbeschaffung. Thwaites kaufte
sich den billigsten Toaster den er finden konnte um den Aufbau zu
verstehen. In seinem TED-Talk berichtet er, dass dieser Toaster aus
über 400 verschiedenen Teilen besteht -- und diese Teile haben über
100 Materialien [[http://www.thomasthwaites.com/the-toaster-project/][(Thwaites]]).

* Probleme mit der Weißen Ware

Große kommerzielle Hersteller gleichen sich in ihren Produktions-
bzw. Markstrategien. Ein Primärziel ist immer möglichst billig zu
produzieren -- und dabei Sekundärziele gerade noch zu erreichen
("satisficing" Strategie). Da dieser (Markt-)Optimierung alles andere
unterworfen ist ergeben sich -- mehr oder weniger gewollt
bzw. ungewollt -- als Folge:

- Geringe Reparierbarkeit: Ein Entwurf der sich auf billige
Herstellung konzentriert, ist zwangsläufig schlechter
reparierbar. Manche Produkte sind durch unlösbare Verbindungen so
entworfen und gebaut, dass sie nicht mehr zerstörungsfrei
auseinandergenommen werden können (z.B. durch Verschweißen oder
Verklemmen). Andere Produkte setzen (proprietäre) Spezialteile ein
(die billiger sind durch große Stückzahlen) anstatt etablierte
Standardbauteile (die relativ leicht von verschiedenen Herstellern
durch den Endkunden bezogen werden können).
Produktzyklen sind darauf ausgerichtet "Innovationen" schneller als
andere auf den Markt und somit zum Endkunden zu bringen. Lange
Reparierbarkeit bedeutet für den Hersteller unerwünschte
Zusatzkosten da eine lange Historie von Produkten abgedeckt werden
muss. So ist es selbst bei sehr langlebigen Produkten wie Aufzügen
nach wenigen Jahren problematisch Ersatzteile wie Steuerungsplatinen
zu bekommen.

- Intransparent: Um einen (gefühlten) "Wettbewerbsvorteil" zu erlangen
agieren Hersteller intransparent indem sie dem Kunden und anderen
Externen auf der einen Seite keine oder wenig Informationen zur
Verfügung stellen ("trade secret" Strategie) und auf der anderen
Seite Informationen vor der Verwertung andere durch Patente und
Urheberrecht schützen.
Als Resultat ist die Weiße Ware eine Black-Box (oder Grey-Box),
aber keine White-Box. Kurzum, Zeichen von Transparenz sind
Schlagworte wie "closed source" (versus Open Source), NDA, IP, usw.
Durch Intransparenz wird die oben beschriebene geringe
Reparierbarkeit weiter beeinträchtigt, da zum Beispiel die Diagnose
durch fehlende Stromlaufpläne erschwert wird, und proprietäre
Ersatzteile nicht verfügbar sind.

Ein Gegenentwurf zur weißen Ware wie wir sie heute kennen muss also
mindestens darin bestehen Produkte auf den Markt zu bringen die sowohl
mit dem Primärziel Reparierbarkeit als auch Transparenz ausgestattet
sind.

Ein Hersteller von Haushaltsgeräten möchte sein Produkt am liebsten in
die Hände des Kunden bekommen und danach möglichst wenig weiter damit
zu tun haben. Diese Sichtweise ist insofern verständlich, als viele
Kunden beim Gerätekauf auch nicht weiter als der Hersteller denken. Im
Weiterdenken dieser Sichtweise hin zu einer erweiterten
Kundenbeziehung würde sich eine riesige Chance für den Hersteller
bieten. (Im weiteren wird ein Ansatz beschrieben der neben Hersteller
und Kunde weitere Stakeholder mit einbezieht.)

Ein charakteristisches Beispiel für die fehlende Nachhaltigkeit von
Haushaltsgeräten ist die Sonicare Elektrozahnbürste von Philips. Trotz
einer großen Produktauswahl innerhalb der Sonicare Familie gehen diese
Zahnbürsten typischerweise an 3 (Sollbruch-)Stellen kaputt: (1) der
Akku ist verlötet und für den normalen Verbraucher nicht ersetzbar,
(2) ein mechanischer Defekt lässt die Bürste zu stark vibrieren und
(3) eine dünne Gummidichtung wird porös, wodurch dann Wasser
eindringt und die Elektronik zerstört. Diese Probleme sind im Internet
durch Benutzer und Reparaturanleitung gut dokumentiert. Philips
ergreift dagegen keine Maßnahmen. Die Reparierbarkeit wir dadurch
weiter eingeschränkt, dass es vom Hersteller nicht gewollte ist, dass
die Zahnbürste zerstörungsfrei geöffnet werden kann.

Andererseits, gibt es sicher auch Herstellerbestrebungen in Richtung
Nachhaltigkeit. Tefal hat ein (Werbe-)Programm gestartet, das Produkte
kennzeichnet die "bis zu 10 Jahre lang" repariert werden können
[[https://www.tefal.de/reparierbarkeit][(Tefal)]]. Laut dem Hersteller werden "Produkte [...] dafür konzipiert
leichter repariert, zerlegt und wieder zusammengebaut" werden zu
können. In der Kategorie "Toaster" sind immerhin 3 von 6 Produkten
entsprechend als reparierbar gekennzeichnet. Tefal arbeitet mit einem
großen Ersatzteillager und 3D-Druck, wobei letzteres in einem noch
eher frühen Stadium zu sein scheint.

Die Rating-Agentur Oekom hat für 2017 eine Branchen-Bewertung
veröffentlicht bei denen die durchschnittliche Bewertung für "Electric
Devices & Appliances" bei 32,6 von 100 möglichen Punkten lag. (Zum
Vergleich, "Metals & Mining" hat 29,7 Punkte und die beste Bewertung
mit 46,5 "Automobile".) Die besten Unternehmen der Elektro-Branche
sind Ericsson (B-), Philips (C+) und Toshiba (C+). Es gibt hier also
sicher noch Luft nach oben (wie in allen anderen Branchen allerdings
auch).

* Die Welt nicht von hinten aufzäumen

Die Repair-Bewegung (mit Repair-Cafes und Online-Angeboten wie Ifixit,
kaputt.de und Restarters Wiki) setzt dort an, wo das "falsche" Produkt
den Endkunden schon erreicht hat. Dann kommt ein Reparierversuch durch
reverse engineering bzw. de-blackboxing, der leider oft dem Kampf
gegen Windmühlen gleicht. Der Zusammenschluss Runder Tisch Reparatur
möchte die "Windmühlen" reparierbarer machen. Initiativen wie die
Repair-Bewegung und Runder Tisch Reparatur (Recht auf Reparatur)
versuchen also die existierenden Strukturen zu hacken bzw. zu
verändern. Dieser Beitag konzentriert sich hingegen darauf, wie eine
alternative Struktur geschaffen werden könnte.

Auf strukturelle und (ordnungs-)politische Faktoren wird im folgenden
nicht näher eingegangen. Die Grundannahme dieses Beitrags ist, dass
sich in diesen Bereichen absehbar keine nennenswerten Verbesserungen
ergeben werden und dass daher ein Lösungsansatz gefunden werden muss,
der im aktuellen Umfeld bestehen kann.

Beispiele wünschenswerter Faktoren mit denen dieser Beitrag nicht
rechnet wären
- Steuern: Keine/geringere Lohnsteuer und Umsatzsteuer auf Reparaturen
um diese zu intensivieren und incentivieren.
- Transparenz: Pflicht zur Veröffentlichung von Daten durch die
Hersteller über Schäden und Reparaturen von Geräten während und nach
der Garantiezeit.
- Regulatorik: Verpflichtung der Hersteller auf Ersatzteillieferung
für eine gewisse Bereithaltungsdauer. (Und warum sollte die zu
erwartende Lebensdauer einer elektrischen Zahlbürste nicht auf 30
Jahre angesetzt werden!?) Eine weitere Verpflichtung wäre es, dass
der Preis für ein Ersatzteil die Kosten der laufenden Produktion
(ohne Lagerhaltung, etc.) widerspiegeln muss.
- Internalisierung externer Kosten: Die wahren Kosten eines
umfassenden Rohstoffrecyclings müssen vom Herstellung und/oder
Kunden getragen werden.

Die Verantwortung zu nachhaltigem Handeln liegt aktuell primär in den
Händen der (schon reichlich überforderten) Verbraucher.

* König Kunde: Kaiser ohne Kleider?

Ob ein nachhaltiger Ansatz gelingen kann entscheidet sich an Fragen
wie dieser: Was verschafft mehr Befriedigung, sein altes Gerät zur
Reparatur zu bringen oder sich ein neues auszusuchen?

Vom Mainstream her gedacht natürlich letzteres. Wer sein Gerät
reparieren will rechnet schon mit hohen Kosten für Ersatzteile und
Arbeitsleistung -- und ist auch nicht überrascht zu hören dass es
nicht reparierbar ist. Die Suche nach einem (seriösen)
Reparaturbetrieb raubt Zeit und Nerven und die endgültigen Kosten
stehen erst nach der Reparatur fest. Reparieren hat also einen
potentiell recht hohen Frustrationsfaktor in der heutigen
Welt. Dagegen ist der Kauf von etwas neuem, schönerem und besserem
schon inhärent befriedigend -- kaufen macht gute Laune!

Aber in der Kapitalismus-Idylle des Mainstream zeigen sich Risse. Die
immer schnelleren Produktzyklen (in allen Bereichen, von der
Primark-Wegwerfmode bis zu IKEA-Möbeln) überfordern manchen
Konsumenten, da laufend Zeit und Energie in Kaufentscheidungen
gesteckt werden muss -- und am Schluss das nagende Gefühl bleibt doch
die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Von diesen Phänomenen
scheinen vor allem "Maximizer-", weniger "Satisficer"-Typen, betroffen
zu sein ([[https://en.wikipedia.org/wiki/The_Paradox_of_Choice][Barry Swartz]]).

Abseits vom Mainstream gibt es aber auch ein (vielleicht nicht so
kleines!?) Segment von Kunden, die es für ihren persönlichen
Lebensentwurf als stimmiger empfinden ein Produkt möglichst lange zu
benutzen und dann auch reparieren zu lassen. Dieses Segment gilt es
für den neuen Ansatz zu gewinnen. Hoffnung dass dies gelingen könnte
sind bereits (erfolgreich?) operierende Unternehmen, die sich auf ein
bestimmtes Nischenthema fokussieren wie Fairphone (Nachhaltigkeit) und
Purism (Offenheit und Privatsphäre).

* Blaupause: white4good

Wie könnte nun ein neu gedachtes "Ökosystem" um Haushaltsgeräte
aussehen? Im folgenden sollen hierzu einige hoffentlich prägnante
Ansätze skizziert werden, nennen wir dieses Ökosystem bzw. diese
Blaupause "white4good".

Um die folgenden Überlegen etwas greifbarer auszugestalten, wird im
folgenden von einem konkreten Produkt ausgegangen: ein
Staubsauger. Auch wenn dieses Produkt nicht sonderlich "sexy" ist
werden davon in Deutschland jährlich mehr als 6 Millionen Stück
verkauft.

Wenn man sich nur das Endprodukt anschaut -- den Herstellungsprozess
außen vor gelassen -- dann sollte ein white4good Staubsauger
idealerweise mindestens diese Eigenschaften haben:
- Langlebigkeit: Bauteile sollten lange halten und das Produkt selbst
keine funktionelle/psychische Obsoleszenz aufweisen.
- Ressourcenschonend: Bauteile mit möglichst wenig Material, wenig oder
keine Verbrauchtsteile (Staubbeutel, Filter), stromsparend im
Betrieb.
- Modular: Das Gerät besteht aus Bauteilgruppen die leicht
austauschbar und erweiterbar (upgradable) sind (z.B. effizientere
Motorsteuerung oder leistungsfähigerer Motor, Aufrüstung auf
Internet der Dinge). Im besten Fall sind Bauteile und Module auch
zwischen verschiedenen Staubsaugervarianten austauschbar
(vgl. Software-Produktlinie).
- Reparierbar: Leicht zerlegbar in seine Bauteile, einfache und
kostengünstige Beschaffung von Ersatzteilen, leichte
Funktionsprüfung von Bauteilen (insbesondere
Elektronik). Desweiteren können Schaltungen mit klar
gekennzeichneten Messpunkten ausgestatten sein und eine
USB-Schnittstelle mit Diagnose-Software besitzen um die Fehlersuche
zu erleichtern.

Allerdings, nur in (isolierten) Produkten bzw. Produkteigenschaften zu
denken, reicht nicht aus! Sich white4good als traditionellen
Hersteller zu denken ist nicht besonders zielführend, schon deshalb da
gewaltige Investitionskosten für die Entwicklung und Herstellung
beschafft werden müssten -- mit entsprechenden Erwartungen der
Investoren. Die traditionelle Sichtweise führt zu einem
"Top-Down"-Ansatz bei dem es als "Stakeholder" nur den (entmündigten)
Endkunden gibt. Die Open-Source Bewegung hat gezeigt, dass es möglich
ist die Potentiale der Crowd zu nutzen. Wo es bei proprietärer
Software nur den Endkunden gibt, sind bei Open-Source Projekten
Designer, Programmierer, Grafiker, Autoren, Übersetzer, Bug-Fixer,
Acessibility-Experten, usw. zu finden -- kurz gesagt, "everyone
contributes" ([[https://ben.balter.com/2013/08/11/everyone-contributes/][Balter]]). (Wobei dies bei vielen Open-Source Projekten
ein stark idealisiertes Bild darstellt.)

Wie schon Eingangs erwähnt, ist maximale Transparenz und Offenheit
(Open*) ein Leitmotiv, das sich auf alle Bereiche erstreckt: Open
Source von Entwicklungswerkzeugen, Firmware, CAD-Modellen,
Schaltplänen, Gebrauchanleitungen, (Video-)Reparaturanleitungen,
usw. Dabei soll nicht das Rad neu erfunden werden sondern existierende
offene Ressourcen bei Software und Hardware genutzt werden. Für
Hardware-Prototyping bietet beispielsweise Arduino in sich schon ein
offenes Ökosystem.

Manche Startups folgen dem Ansatz (teil-)offene Ökosystem zu schaffen
bzw. zu ermöglichen. Der Elektroautohersteller Sono Motors (mit
aktuell fast 7000 Vorbestellungen seines Sion-Modells) hat ein
Reparatur-Konzept, das kostengünstige und eigene Reparaturen durch ein
offengelegtes Werkstatthandbuch und keine Werkstattlizenzen
ermöglichen soll. Ersatzteile können vom Endverbraucher direkt beim
Hersteller bezogen werden und der Käufer wird darauf hingewiesen falls
es sich um einen Standardartikel handelt, der auch im Bau/Fachmarkt
gekauft werden kann. Der Hersteller bietet auch "alle CAD Daten online
kostenfrei an, sodass du sie dir selbst mit einem 3D Drucker drucken
kannst oder aber in einem Shop mit CNC Milling" ([[https://sonomotors.com/de/frequently-asked-questions.html/][Sono Motors]]).

Auch bei white4good sind CAD-Modelle offen. Bei kleineren
Plastikteilen ist damit heute denkbar, dass der Endkunde (1) sich das
Teil mit dem eigenen 3D-Drucker herstellt, (2) zu einem 3D-Druckshop
in seiner Umgebung geht, oder (3) sich das Teil auf der
white4good-Verkaufsplattform bestellt. Letztere Option geht in
Richtung Plattformökonomie -- die genossenschaftlich gestaltet werden
könnte ([[https://www.postwachstum.de/genossenschaften-erobert-die-plattformoekonomie-20171102][Blog Postwachstum]]). Auf der Plattform lassen sich nicht nur
die "Original" white4good-Teile finden, sondern auch konkurrierende
Angebote von anderen Herstellern. Falls ein Markt dafür einstehen
sollte, ist es denkbar, dass ein professioneller Drittanbieter Teile
mit hoher Stückzahl durch Skaleneffekte sehr kostengünstig anbietet
(z.B. durch Wechsel der Technologie von 3D-Druck auf
Spritzguss). Damit würde ein offener Markt entstehen mit durch
Marktkräften "richtig" bepreisten Ersatzteilen.

Für Reparaturen ist denkbar, dass die white4good-Plattform Angebote
verschiedener Reparaturdienstleistungen enthält, von privaten bis
professionellen, von lokalen bis überregionalen Angeboten. Auch
kostenlose Angebote von Repair-Cafes lassen sich dort finden. Somit
hätte der Endkunde ein breites Spektrum von Reparaturangeboten,
angefangen bei eigenen Diagnose- und Reparaturversuchen.

Das white4good Ökosystem würde also aus verschiedenen Stakeholder
bestehen. Neben dem Endkunden/Benutzer sind Dienstleister in den
Bereichen Verkauf, Reparatur und Recycling, Teileproduzenten
verschiedener Skalierung und Angebote zur Personalisierung und
Spezialisierung erwünscht -- wobei diese Stakeholder nicht a priori
definiert sind, sondern sich dynamisch herausbilden. Die Stakeholder
nutzen die white4good Plattform (zur Kollaboration und als
Marktplatz), wobei sich innovative Ansätze (mit eigenem
Geschäftsmodell) an die Plattform andocken können. Die Plattform und
white4good würden konsequenterweise weitestgehen als "open business"
([[https://en.wikipedia.org/wiki/Open_business][Wikipedia]]) realisiert.

Die Kernentwicklung der Haushaltsgeräte würde dem Ansatz von Open
Source Hardware/Software folgen. Dadurch ist Innovation innerhalb von
white4good gewährleistet, wobei diese durch maximale Transparenz von
white4good auch außerhalb stattfinden kann. Dieser letzte Aspekt
bedeutet, dass sich white4good bei den Stakeholder fortlaufend
bewähren muss, sonst wird sich durch "forking" eine
white4good-Weiterentwicklung herausbilden.

Ein Beispiel wie sich Markt, Innovation und Ökosystem bei Open
Hardware realisieren können ist Arduino und SparkFun
Elektronics. SparkFun dockt sich an das Arduino Ökosystem an und
bietet Eigenentwicklungen von Arduino-kompatible Produkten mit
speziellen Merkmalen an. In TED-Talks beschreibt der Gründer von
SparkFun, Nathan Seidle, wie verschiedene Anbieter gegenseitig
Innovationen nützen um das Ökosystem voranzubringen. (Ein
SparkFun-Produkt wird nach 3 Monaten kopiert, daher ist fortlaufendes
Innovieren nötig.) Gegenseite Innovation wird durch Copyleft-Lizenzen
(Creative Commons Share-Alike, GPL) sichergestellt, die verlangen,
dass Weiterentwicklungen wieder unter Copyleft-Lizenz gestellt werden
müssen. Entsprechend würde white4good mit Copyleft-Lizenz arbeiten
damit Innovationen nicht "privatisiert" werden können.

Zusammenfassend, statt eines proprietären Ansätzen hat white4good
Open*, Ökosystem und Plattformökonomie als Merkmale. Der Anspruch von
white4good ist deń DIY-affine Endkunde zu erreichen, ebenso aber auch
Endkunden ohne technisches Interesse, die aber an den
Nachhaltigkeitsaspekten interessiert sind.

* Makellos weiß?

Bei white4good ist sicher noch nicht alles bis zum Ende durchdacht und
nicht alle Themen beleuchtet. Auch white4good ist Trade-offs
unterworfen die zu einem suboptimalem nachhaltigen Produkt führen. In
wie weit diese Trade-offs dazu führen können Keile zwischen
Stakeholder zu treiben ist schwer voraus zu sagen. Im folgenden einige
Aspekte:

- Refuse: Das nachhaltiges Haushaltsgeräte ist eines, das erst gar
nicht produziert werden muss. (Bea Johnsons "5R" möchten in dieser
Reihenfolge angewandt werden: Refuse-Reduce-Reuse-Recycle-Rot.) Vor
diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob es bei white4good eine
Elektrozahnbürste geben sollte wo doch eine kompostierbare
Zahnbürsten aus Bambus als die bessere Alternative erscheint.

- Refurbishing, Recycling, Crade-to-Cradle: Wie für jedes nachhaltige
Produkt müssen für diese Themen Strategien entwickelt
werden. Insbesondere beim Refurbishing bieten sich Chancen, denn
bereits produzierte Teile/Produkte die direkt oder nach Reparatur
wiederverwendbar sind versprechen eine gute Umweltbilanz. Auch
können Altgeräte zurückgekauft werden.

- Trade-offs bei Produktmerkmalen: Ein Produkt nachhaltiger zu
gestalten kann dazu führen, dass es andere Qualitäten einbüßt, die
manchen Endkunden wichtig sind. Ein modular aufgebauter Staubsauger
ist eher schwerer und klobiger als ein "normaler"
Staubsauger. Dieser Effekt zeigt sich um Beispiel auch beim
Fairphone, das nicht so schön flach ist und etwas klobig wirkt. Ein
Staubsauger, der mit geringen Mittel von Null auf neu entwickelt
wird, kann es schwer haben die Effizient eines Markenherstellers zu
erreichen. Somit kann es durchaus sein, dass die (angedachte)
Umweltbilanz des Staubsaugers überzeugt, er aber nur eine eher
schlechte Energieeffizienzklasse hat.

- Rechtliche Erfordernisse: Es ist nicht klar in wie weit rechtliche
Erfordernisse den white4good Ansatz erschweren. Der Anbieter
relumity realisiert eine modulare, reparierbare LED Lampe. Im
Startnext-Blog wird eine Projektverzögerung damit begründet, dass im
Gesetz über das Inverkehrbringen von Elektroprodukten "nicht
vorgesehen und uns erst seit ein paar Wochen bewusst, ist das
Reparieren und Weiterverwenden der Produkte oder Teile... Unser
Produkt ist bisher 'nicht vorgesehen'" ([[https://www.startnext.com/relumityled/blog/beitrag/die-letzten-huerden-p73571.html#pnav][Startnext]]).

- Geschäftsmodell: Der white4good Ansatz ist nicht gewinnorientiert,
schließt aber Gewinne nicht aus. Gewinne sind auch in soweit nötig
und erwünscht um white4good am Leben zu erhalten. Ob white4good
lebensfähig ist kann nur eine praktische Umsetzung zeigen, die sich
dann auch intensive mit dem "Geschäftsmodell" auseinandersetzen
muss. Zum Geschäftsmodell können Leasing-Modelle gehören um Produkte
im white4good-Verwertungskreislauf zu halten (anstatt den Kreislauf
als Elektroschrott oder gar Restmüll zu verlassen).

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