Hans-Hermann Albers and Felix Hartenstein
Immer stärker beeinflusst die Digitalisierung auch die Stadtentwicklung. Was bedeutet das für urbane Räume und unser Zusammenleben dort?
Wir diskutieren die neue urbane Transformation - ausgelöst durch Plattform-Ökonomien und andere digitalwirtschaftliche Geschäftsmodelle - und suchen nach Wegen für eine haltbare und nachhaltige Stadtgestaltung.
Unsere Kernfragen lauten:
- Was bedeutet der digital-ökonomische Wandel für (sozial-)räumliche Strukturen?
- Wie können digital-ökonomische Prozesse im Sinne einer nachhaltigen und sozial gerechten Stadtentwicklung beeinflusst werden?
- Welche Verantwortung kann und muss die Digitalwirtschaft für die Stadt von morgen übernehmen?
Bits und Räume
Die Stadt als Raum digital-ökonomischer Transformation - Wie kann eine nachhaltige und gerechte Stadtentwicklung gelingen?
Digitalisierung ist in besonderem Maße ein städtisches Phänomen. Da die Mehrzahl der Menschen in urbanisierten Gebieten lebt (in Deutschland sind das über 75% der Bevölkerung, bzw. 62,5 Mio. Individuen), findet die digital Transformation der Gesellschaft ebenfalls zum Großteil in Städten statt. Zum einen steht in den Ballungsgebieten die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung (Handymasten, Breitband, WLAN), zum anderen bieten sie erst die erforderliche Dichte, um als Markt für digitale Produkte interessant zu sein.
Im selben Ausmaß, in dem die Digitalisierung soziales Verhalten ändert, wirkt sie sich auch auf räumliche Konfigurationen aus: Kartendienste lenken Verkehrsströme, innerstädtische Geschäftsstraßen veröden unter dem Druck der Onlinehändler, öffentliches Leben (Kommunizieren, Arbeiten, Dating, Unterhaltung) verlagert sich sukzessive in die digitale Sphäre. Und die nächste technologische Evolutionsstufe macht sich bereits bemerkbar: Augmented Reality und künstliche Intelligenz werden die Maschine-Mensch-Interaktionen weiter vertiefen und auf diese Weise auch urbane Lebensräume maßgeblich umgestalten.
Digitale Produkte in der Stadt
Die Heilsversprechungen digitaler Technologien sind oft groß, doch die Wirklichkeit stellt sich häufig ganz anders dar. Auf dem Markt für Leihfahrräder ist nach der Anfangseuphorie mittlerweile Ernüchterung eingetreten: Obike ist pleite und Ofo möchte sich aus Deutschland zurückziehen. Zurück bleiben "Fahrradleichen", um ihre Kaution geprellte Kunden und die Erkenntnis, dass sich das reine Verleihgeschäft wohl einfach nicht lohnt. Unklar hingegen, was nun mit den gesammelten Kunden- bzw. Bewegungsdaten passiert (spannende Frage: gehören Daten eigentlich zur Konkursmasse eines Unternehmens und können entsprechend verwertet werden?), denen wohl das wahre Augenmerk der Firmen gegolten haben dürfte.
Zu Mietportalen wie Airbnb oder Wimdu und Beförderungsdiensten wie Uber oder Lyft ist eigentlich alles gesagt. Sie untergraben gezielt bestehende Regularien und Gesetze, bestärken als Teil der Gig Economy die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, fördern die Kommodifizierung privater Lebensbereiche, tragen zur sozioökonomischen Segregation der Gesellschaft bei und wirken sich insgesamt negativ auf das städtische Zusammenleben aus.
Techno-kapitalistische Stadtvisionen
Nach der Sustainable City und der Resilient City gilt die Smart City aktuell – erneut – als führendes Leitbild der Stadtentwicklung. Neben konzeptioneller Leere, die über Mülleimer mit automatischem Füllstandanzeiger nicht wirklich hinauskommt, zeichnet sich die Smart City vor allem durch ihr Potenzial zur Dauerüberwachung aus.
Dennoch sind zahlreiche Kommunen emsig dabei, smart werden zu wollen. Eine kurze Onlinesuche ergibt entsprechende Vorhaben quer durch die Republik, beispielsweise in Stendal, Heidenheim, Duisburg, Dresden, Freiburg oder in der 650-Einwohner-Gemeinde Löwenstedt in Nordfriesland. Die meisten Projekte entstehen in enger Kooperation mit einem großen Technologieanbieter und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier vor allem um ein riesiges Geschäftsfeld handelt.
Urban-technologische Herausforderungen
Die meisten Geschäftsmodelle des sogenannten Plattform-Kapitalismus stützen sich zwar auf gemeinwohl- und nachhaltigkeitsorientierte Themen oder kopieren unkommerzielle Ansätze der Sharing Economy, meist sind sie jedoch weder ökologisch noch nachhaltig.
Folglich ergeben sich aus Stadtsicht einige grundlegende Fragen: Welche gesellschaftliche Vision liegt dieser Form der Stadtentwicklung zu Grunde? Wer macht die Regeln? Welche Rolle spielen die Kommunen im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohl und Industrieinteressen? Wo kommt der Bürger ins Spiel? Und welche Verantwortung tragen die Technologieanbieter für das städtische Umfeld?
Was haben wir vor?
Impulsvortrag (20 Min) mit anschließender Diskussion (10 Min)
Wer sind wir?
Hans-Hermann Albers ist Architekt, Urbanist und Unternehmensberater. Studium: Architektur- und Städtebau in Graz, Athen und Helsinki. Promotion zum Dr. techn. an der TU Graz zum Thema Corporate Social Responsibility und Stadtentwicklung. Seine Arbeits-, Lehr- und Forschungsschwerpunkte sind CSR & nachhaltige Stadtentwicklung, digitale Stadtökonomie, urbane Tourismus- und Freizeitstrukturen. Er lehrte an der TU Graz und war Mitarbeiter in einer Unternehmensberatung. Seit 2009 führt er ein Büro für Stadtforschung, -entwicklung und -beratung in Berlin.
Felix Hartenstein ist Stadtökonom und Urbanist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaft in Maastricht und Santiago de Chile war er für die GIZ in den Bereichen kommunale Wirtschaftsförderung und KMU-Mentoring in Namibia tätig. Von 2012 bis 2017 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin und arbeitete im Wechsel in Ägypten und Deutschland. In Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit städtischen Arbeits- und Lebensformen, neuen urbanen Ökonomien, unternehmensgelenkter Stadtentwicklung, Arbeitswelten der Zukunft, Silicon Valley Urbanism, Geek Towns, sowie Stadt und Klimawandel.
Zusammen haben wir Inwista gegründet, das Institut für Wirtschaft und Stadt. Zudem engagieren wir uns bei urbanophil - Netzwerk für urbane Kultur e.V. für vielfältige städtische Themen.
Bei der re:publica18 waren wir mit der Session "Tech-Firmen machen Stadt - Was heißt das für Berlin?" vertreten. Ende 2017 haben wir als Gastredaktion eine Ausgabe der StadtBauwelt zum Thema "Silicon Valley Urbanism" herausgegeben.